Eine Frage mit einer unglaublich weitreichenden Bedeutung. Der Begriff Authentizität kommt heute in gefühlt jedem zweiten Beitrag diverser (Marketing- und Vertriebs-) Unternehmensberater auf LinkedIn vor. Er ist Bestandteil unglaublicher vieler Inhalte der Persönlichkeitsentwicklungssparte und ganz nebenbei „Etwas“, das sich jeder Mensch in der einen oder anderen, manchmal konkreteren, manchmal unterbewusst schlummernden Art und Weise wünscht.
Mein Ziel mit dem Artikel ist nicht die ultimative Antwort zu geben, was Authentizität nun tatsächlich, wirklich, echt ist (ich tauche zwar ab und an gerne mal in philosophische Themen ein, möchte hier aber kein imaginäres Tête-aTête mit Sarte, Heidegger und Kollegen eingehen 🙂 ), sondern die Thematik kurz und knapp zu durchleuchten, so dass Du für Dich und Dein Unternehmen Schlüsse für Dein strategisches und operatives Marketing ziehen kannst. Nennen wir es einfach praktisch angewandte Marketing Philosophie? Egal. Im Folgenden geht es um die Authentizität von Personen.
1. Was ist diese „Authentizität“?
Aus einer Queranalyse verschiedener Definitionen des Begriffs, vor allem der Psychologie-basierten Literatur, habe ich letztlich meine folgende Definition kreiert:
Authentisch zu sein bedeutet, gemäß seiner eigenen Werte, Ziele, Gefühle, Gedanken (die Liste ist lang), kurzum: gemäß seines „wahrhaftigen“ Selbst mit sich und Anderen zu kommunizieren und zu handeln und sich dabei nicht von externen Einflüssen bestimmen zu lassen. „Im Einklang mit sich selbst sein und handeln“, „sich treu sein“ trifft es umgangssprachlich am besten.
In dem Moment, in dem Du wie oben beschrieben kommunizierst und handelst, kannst Du als authentisch für Andere gelten, da ihre Wahrnehmung von Dir mit Deinem tatsächlichen Selbst übereinstimmt.
2. Du stehst an einer Weggabelung: authentisch inszeniert oder inszenierte Authentizität?
Entschuldige, wenn ich schon nicht tiefen-philosophisch & psychologisch unterwegs sein kann, dann kann ich wenigstens den Überschriften einen gewissen Hauch von Hoch-Getrabtheit geben ;).
Die Frage hört sich wichtig an, weil sie tatsächlich von grundlegender Wichtigkeit für Deine Marketingstrategie ist: wenn Du Dich authentisch inszenierst, dann stellst du Deine Authentizität, wie Du wirklich bist „zur Schau“. Du setzt Dich in Szene. In Szene setzen bedeutet nicht automatisch künsteln.
Es steht außer Frage, dass die heutige Welt eine gekünstelte Inszenierung ermutigt, gerade auf Social Media. In seinem Ursprung bedeutet Inszenierung aber erst einmal, Etwas zur Anschauung zu bringen. Wie Du Dich zur Anschauung bringst, das ist der Unterschied. Das kannst du authentisch machen, wie oben beschrieben. ODER: Du kannst es unauthentisch machen und tust alles dafür, um möglichst „authentisch“ zu wirken, damit Du ein gewisses Image und eine äußere Reputation von Dir aufbaust, von der Du denkst oder ggf. weißt, dass Deine Zielgruppe darauf anspringt. Auch wenn es eigentlich gar nicht Deinem Selbst entspricht.
Du inszenierst Authentizität – und über kurz oder lang, wirst Du Menschen, Klienten/innen, Kunden/innen mit Deinem Unternehmen anziehen, die ebenfalls mehr auf inszenierte Authentizität und gekünsteltes zur Schau stellen setzen, als auf Echtheit und Originalität. Beide Wege sind völlig legitim, es sollte nur Deine bewusste Entscheidung sein, welche Richtung dieser Weggabelung Du mit Deiner (Marketing-) Strategie einschlägst.
3. Inszenierte Authentizität. Oder auch…klassisches „Personal Branding“.
Zack. Jetzt ist es raus. Ist Personal Branding per se unecht und gekünstelt? Meistens ja. Muss es aber nicht sein.
Ich werde an anderer Stelle in die Tiefen des klassischen Personal Branding einsteigen (Herkunft, Hauptthesen etc.) – das würde den Rahmen hier sprengen. Zum Verständnis der Aussage oben aber einmal folgender Gedanke: da ich mich über vierzehn Jahre in diversen Marketingabteilungen verschieden-großer Unternehmen, von Start-Up bis hin zum Konzern mit über 30.000 Mitarbeitern tummeln durfte, behaupte ich, dass ich ein gewisses Verständnis von Marketing und Branding habe.
Wenn ich eine Marke aufbaue, geht es darum, diese Marke auf die Bedürfnisse meiner gewünschten Kunden/innen auszurichten. Produkte und Services zu entwickeln, die von Kunden/innen geliebt und gekauft werden (man denke an das Konzept der „Love Brands“). Sie werden aber nur dann gekauft, wenn die Marke ein Problem für die Kundin löst, wenn ihr die Marke ein gewisses Gefühl vermittelt oder (bei gut entwickelten Marken) ihr zur Untermauerung und Bestätigung ihrer Identität hilft. Das erreicht eine Marke aber nur dann, wenn sie zuhört. Wenn sie Produkte gemeinsam mit ihrer Zielgruppe entwickelt. Die Marke wird vom Feedback, den Vorstellungen und Einstellungen der Zielgruppe als externe Einflüsse maßgeblich bestimmt.
Lass uns gemeinsam einen Sprung nach oben machen. Ok, wir müssen nicht springen, ich zitiere es einfach nochmal: Authentizität bedeutet „gemäß seines „echten“ Selbst mit sich und Anderen zu kommunizieren und zu handeln und sich dabei nicht von externen Einflüssen bestimmen zu lassen.“ Eine Marke wird von externen Einflüssen bestimmt. Sie wurde kreiert und ihre einzelnen Elemente sorgfältig kuratiert (d.h. gezielt ausgewählt was genau, wie, wo, wann, an wen kommuniziert wird) um ein gewisses Image zu erzeugen, das bei der entsprechenden Zielgruppe Anklang findet.
Wenn jemand, und das tun leider die meisten „Personal Branding“ Berater, von „authentischem Personal Branding“ spricht und empfiehlt, seine „Persönlichkeitsmarke“ basierend auf den Bedürfnissen der Zielgruppe zu entwickeln und darauf zu achten, was gesagt wird und in welcher Form (d.h. es wird kuratiert), gleichzeitig aber authentisch zu sein, ist das so, als ob ich sagen würde „Lass einen Apfel fallen, ohne dass er sich dem Boden nähert“. Es schließt sich aus, zumindest auf diesem Planeten.
Es geht primär darum, etwas zu tun (oder nicht zu tun), um ein gewisses Image zu erzeugen und aufrechtzuerhalten. Einer meiner Favoriten-Sprüche einer deutschen „Personal Branding Expertin“ ist „Beim Personal Branding geht es also nicht um Dich sondern um Andere“. Holy Crab.
Dazu kommt, dass die Verfechter dieser Disziplin dann auch häufig noch vorschlagen, ein permanentes Ohr „am Markt“ zu haben und Dich als Persönlichkeit(-smarke) ständig zu verändern (während kein Wort darüber verloren wird ob das noch authentisch ist oder nicht).
4. Personal Branding neu gedacht. Personal Branding 2.0
Egal ob ich das Ganze 2.0, 3.0 oder 8.0, nenne – Authentizität und Personal Branding müssen neu gedacht werden. Der Weg, Dich und Dein Unternehmen authentisch darzustellen, ist, sich an erster Stelle Gedanken darüber zu machen, wer Du bist und was Du mit Deinem Unternehmen bezwecken möchtest. Ein Selbst-Bewusstsein zu schaffen. Was ist Deine Vision, Deine Einstellung, Deine Stimme da draußen, Deine „Unique Identity Proposition“ wie ich gerne sage (also Deine Stärken und Werte, die dich einzigartig machen).
Dann geht es darum, zu schauen, wie Dein Selbst auf eine tatsächlich authentische Art und Weise in Dein Unternehmen einfließen kann, das mit einem bestimmten Service und/oder Produktangebot auf Bedürfnisse einer Zielgruppe eingeht. Der Unterschied ist klein aber durchaus ordentlich fein, denn die Reihenfolge der Schritte macht die Musik:
Klassisches Personal Branding / inszenierte Authentizität:
Externe Faktoren (Zielgruppe, Markt) –> Wer solltest Du sein –> Sorgfältiges Auswählen der extern sichtbaren Inhalte und Aktivitäten –> Image & Reputation fokussiert
Personal Branding 2.0:
Wer bist Du (Deine Persönlichkeit, Identität, Vision) –> Ausrichtung und Entwicklung der Unternehmensmarke inkl. Entwicklung des Produkt/Serviceangebots für eine bestimmte Zielgruppe –> Authentizität fokussiert
Mit Personal Branding 2.0 entsteht Authentizität. Die Gewichtung verschiebt sich von externer Bestimmung zu interner Bestimmung. Auch hier werden Kundenbedürfnisse gehört. Gegebenenfalls wird auch das Produkt- oder Serviceangebot angepasst, um einen noch größeren Unterschied für die Zielgruppe zu machen. Auch hier entwickelst Du Dich als Persönlichkeit weiter, lernst neue Dinge. Aber externe Einflüsse bestimmen nicht, wer du als Unternehmer sein solltest. Und schon gar nicht wer Du bist.
Gerne möchte ich wissen, was Du hierzu denkst? Was sind Deine Erfahrungen? Vielleicht hast Du auch eine komplett andere Sichtweise? Kontaktiere mich gerne via Email an hello@beyondbranding.net – ich freue mich, bald von Dir zu hören 🙂